Das Geheimnis

1
Da liegt der Ehebrecher
Reglos ausgestreckt
In seinem kalten Blute.
Dass er stumm verreckt,
Das halt ich ihm zugute.
Mit toericht’ Reden
Hat er sie verfuehrt,
Mit irrlicht flackernd’ Blicken
Hitze angeruehrt –
Es ging ihm nur ums Ficken.

2
Mein Leben liegt zerrissen,
Decke aufgedeckt,
In zwei geteilte Reiche.
Ich galt unbefleckt,
Doch war nicht mehr dergleichen.
Mit tausend Zungen
Nahm er meine Scham.
Zurueck zu Hause sie mir
Anders wiederkam.
Wer huellt mich ein? Ich frier hier.

3
Ich war naiv und sah nicht
Seine Zauberkunst,
Verdeckt von fromm’ Getue.
Still ist jetzt sein Mund.
Wir haben endlich Ruhe.
Er bracht’ ihr Leben
Ernstlich in Gefahr,
Durch Schweigen der Verraeter,
Der er letzlich war –
Sie tat ihm nichts, dem Taeter.

4
Ich lag bei dem Geliebten,
Wurd’ das Herz mir weh,
Bisweilen liefen Traenen.
Aber jetzt, oh je,
Kehrt wieder dieses Sehnen –
Ich will zu jenem,
Der mich so entbloesst.
Geheime Wuensche brennen
In mir unerloest.
Von nichts kann ich mich trennen.

5
Nicht Caro hat betrogen.
Sie fiel selbst herein
Auf Satans Advokaten.
Brachte Aepfel heim
Aus seinem wilden Garten.
Sie muss in Ohnmacht
Erst gefallen sein.
Er machte ihr zu trinken
Aus den Aepfeln Wein –
Ihr Schicksal liess er zinken.

6
Ich liebte seine Augen.
Trunken fiel sein Blick
In meinen ganzen Koerper,
Durch und durch gefickt.
Doch halt! Ich hoere Schreiten.
Mein Mann im Zimmer
Wirkt auf mich entspannt.
Ich seh und sehe nimmer
Blut an seiner Hand –
Ich kann fuer mich behalten.

A.R.

Pfingsten ’16