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Faust am Werk – Aus meiner Feder

Faust am Werk

Schulaufführung – damit verbindet sich die Vorstellung von Dilettanten, die ihre Spielfreude, ihren Enthusiasmus in das Theaterstück einbringen. Eine wärmende Atmosphäre von Lampenfieber umgibt den Zuschauer. Seine Sympathie wecken Darbietungen mit Holprigkeiten in Text oder darstellerischem Ausdruck. Sein besonderes Interesse gilt einzelnen schauspielerischen Begabungen, die heraus stechen und Ausrufezeichen setzen.

Kunst in Perfektion erwartet bei einer Aufführung von Schülern niemand.
Bei zwei Inszenierungen von Goethes Faust in der Aula der Freien Waldorfschule wurden diese Erwartungen irritiert. Sicherlich gab es von Spielfreude, Lampenfieber und Begabung bei den 12t-Klässlern einiges zu sehen, überstrahlt wurde dies jedoch von einem erkennbaren Gestaltungswillen in Richtung auf die Verwirklichung eines künstlerischen Gesamtkonzeptes. Was an den Abenden des 30ten September und 1. Oktober im Rudolf-Steiner-Saal über die Bühne ging hätte auch im Grillo-Theater der Stadt Beachtung gefunden.

Das lag keineswegs an einer charismatisch gespielten Hauptrolle. Vielmehr war es gerade ein Kunstgriff der Regie führenden Kunstlehrerin ihr Stück von der Qualität der Schauspieler in hohem Maße losgelöst gelingen zu lassen. Zwar: Kaum ein Stück eignete sich wohl besser als der Faust dazu bei einem einzelnen Jüngling die Initiation zum Manne im mindesten vordergründig zu bewerkstelligen. Man weise ihm die Rolle des Faust oder auch des Mephisto zu – und er beherrscht das Hexeneinmaleins. Jedoch: Bei Katharina Lökenhoff wird der Faust in drei Rollen aufgeteilt, wobei die Spaltung in den Denker und den Liebhaber durchaus überzeugt. Auch Mephistos Figur und Erscheinung changiert – geht aus dem Pudel noch in weiblicher Gestalt hervor ehe sie das Gretchen als männlicher Galan mit Faust verkuppelt. Das unschuldige Gretchen wird selbstredend ebenso von einer Anderen verkörpert wie das gefallene.

Bezeichnend für die Handschrift der Regie war auch, daß am zweiten Abend der Aufführung der echte Pudel aus der Inszenierung verschwunden war. Er war nämlich auf unbeabsichtigte Weise zum Star der öffentlichen Premiere geworden. Sein Erscheinen als solches belustigte das Publikum, darauf war seine Wirkung aber augenscheinlich nicht berechnet worden. Also raus mit ihm.

Hinein genommen in das Drama haben die Kunstlehrerin und ihre Mitgestalter hingegen den Text übermalende, wirkungsmächtige Bilder, Choreographien, auch pulsierende Rhythmen, bewegende mitreißende Tänze. Hierin setzte sie ihre ganz eigenen Akzente und machte den Faust mit Hilfe der musikalisch und tänzerisch bestens ausgebildeten Schülerinnen und Schüler zu einem gekonnten Spektakel. Zeitungsschnipsel bilden das Bühnenbild und versinnbildlichen die Inflation der Worte. Lökenhoff läßt lieber Bilder sprechen.

Die Bewegungen der Tänzer und Tänzerinnen muten allerdings teils so sinnlich an, daß die Langeweile Fausts, sein Lebensüberdruss im Angesicht solcher Darbietungen etwas mehr als cool wirken. Das Verständnis des Publikums für diese sinnenfeindliche Haltung wird gerade noch getragen von einem Unbehagen, das sich einstellt: Bewegen sich die Tänzer noch aus einem eigenen Antrieb oder werden sie bewegt, versklavt von etwas Okkultem, einem stumpfen Trieb nach Gleichsinn, Gleichklang, Gleichgang?

Wenn Faust in einer starken Schlußszene das Gretchen aus ihrem Käfig, gezimmert aus einer verinnerlichten bürgerlichen Moral, an der Faust sie nur halb irre gemacht hatte und die sie nun halb unwürdig in ihren eigenen Augen erscheinen ließ, heraus durchs Licht führt, so geht es wohl darum einen unbeirrt der Anderen, einen selbstbestimmten Weg zu gehen, gleichwohl mit der Liebe verbunden.

Entgegen den Erwartungen des Publikums verzichteten die im Hintergrund wirkenden Akteure nach dem „Fall des Vorhanges“ zugunsten eines „Kinoabspannes“ auf ihren persönlichen Auftritt mit den üblichen Danksagungen. Das muß Bescheidenheit gewesen sein: „Hmmh. Hmmh !“

3.10.16 Axel Ressler