Die Geigerin zu Gmünd

Es war einmal ne Geigerin
In Bilderstürmerzeit.
Die lebte zu Gmünd
Gleich bei der Kirche,
Die Cäcilia geweiht.

Sie war ne süße Träumerin
Bei vollem Mondenschein.
Einst stieg sie aus dem Bett
Hin zu der Kirche,
Die Cäcilia geweiht.

Geöffnet fand sie das Portal.
Dadraus drang Orgelei.
Sie streckte ihren Hals
Hoch zur Empore,
Wer so schön am Spielen sei.

Die ungesehne Orgelspielerin
Hielt ihr ne Violine hin.
Sie nahm sie einfach auf,
Fing an zu spielen:
“Ich bin die Carolin’.”

Sie spielten bis zum Morgengraun
Ihr nächtliches Duett.
Beim ersten Hahnenschrei
War ihr eingefallen,
Sie muss zurück ins Bett.

Verzückt vom Klang des Instruments
Legt’ sie die Geig’ beiseit’.
Und barfuß wie sie kam
Schritt sie fix von dannen:
“Leider, es wird Zeit”.

Beseelt, erschöpft, berauscht zugleich
Fand sie der Schlaf im Nu.
Zur festen Zeit erwacht
Fand sie zu den Füßen
Rein aus Gold nen Schuh.

Sie sah sogleich wem der gehört
Und suchte ein Versteck.
Das Bildnis vorm Altar
War aus purem Golde:
Cäcilias, o Schreck!

Den Schuh, sie fand ihn abgetrennt
Vom Fuß der Heiligkeit.
Das Volk stand aufgebracht.
Einer sah sie kommen:
“Du warst hier um Mitternacht!”

Beim Leben meiner Mutter Bild!
Ich war das niemals nicht.
Wer immer das erfand,
Er hats bloß gedichtet
Ihm zum Ruhm, mir zur Schand!”

Ihr Leugnen half ihr nicht.
Sie fanden den Beweis.
Sie war die Räuberin.
Hatte Gott gelästert:
So sahs auch Carolin’.

Die Menge trieb sie zum Schafott.
Sie schrie nie wie die Dubarry.
Sie nahm das Urteil an.
Statt ihr Spiel zu wiederholen,
Daß jeder hört und sieht:

Da lag kein Frevel drin.
Der Schuh wurd ihr geschenkt.
Darin lag tíefer Sinn.
Das Paar wär ihrs geworden:
O arme Carolin’!

Da rollt es nun dahin,
Ein gut katholisch Haupt.
Schau hin, Du Protestant:
Aus gings evangelisch
Nach dem, was sie geglaubt.

A.R. 8.12.18