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Ruth – Aus meiner Feder

Ruth

Meine Tante fand ich hübscher als Mama.
Ich glaube, jeder kennt das.
Beide waren Töchter von dem Opa,
Den ich wenn nur aus Erzählung kenn,
Eines Kolonialwarenhändlers.

Anbrennen ließ sie nix die Tante Ruth.
Sie wußte, was ein Schatz macht,
Schürte in den Jünglingen die Glut.
Aber wurd die Sache ihr zu heiß,
Warf sie sie mal eben in die Katzbach.

Katzbach hieß der Fluß am Ring von Parchwitz.
Den kannte gar der Alte Fritz.
Vor der Schlacht bezog er dort Quartier.
Teil von Preußen oder Österreich:
Den Schlesiern wars herzlich gleich.

Anders wars natürlich, als der Russe kam.
Da türmten sie vor Josip Stalin.
Meine Mutter war erst dreizehn Jahr.
Tochter Ruth verließ Papas Kontor
Mit ner Packung Zyankali.

Ein Glück blieb die Notzucht aus
Wie auch Adolfs Wunderwaffe,
Somit auch der Weg zurück nach Haus.
Omi hat noch lange drauf gehofft,
Bis in Zeiten Adenauers.

Omi kam als eine Reichstein in die Welt.
Das klingt heut gut nach Judenblut.
Deshalb hoffte sie sie sei erwählt.
Die Idee kam Oma Idel nach dem Dritten Reich.
Vorher hieß sie ihre Tochter Ruth.

Nach der Flucht hat Ruth sie alle durchgebracht.
Sie war geschickt in Vielerlei.
Trotzdem hat sie oft getanzt, gelacht.
Eines schönen Abends bracht sie einen
Mandolinenspieler heim.

Der war jung und unstet, ihr Geschmack
Aus dem zerbombten Essen/Ruhr.
Was dort stehn blieb wurde abgewrackt,
So auch sein Friseursalon in Steele
Mit nem Kuckuck auf der Uhr.

Kinder, Kalamitäten, Heimweh.
Ein Neuanfang im Sauerland.
Auf der Landschaft lag im Winter Schnee - 
Weit weg das traute Riesengebirge
Und mit niemandem verwandt.

Als Ruth starb, da war sie hoch betagt
Zu einer Zeit, die war ein Witz:
Leichenschmaus behördlich untersagt
Wegen der Gefahr von Inzidenz.
Gott sei Dank, die Kinder haben was kredenzt.

* 19.12.1923 +26.04.2021

A.R.
10.09.21