Mir träumte von `nem kahlen Baum.
In seinen Zweigen hingen Spinnenweben.
In den Fäden verfing sich Kot.
„Wie heißt Du?“ fragt’ ich ihn im Traum.
„Was hielt Dich auf verfluchte Art am Leben?
Ist echt alles besser als der Tod?“
Der Baum, auf solche Art befragt,
Geübt seit Ewigkeit zu schweigen,
Mußte sich im Traum gesprächig zeigen,
Blieb in seiner Antwort seltsam kühl
Und das hat er gesagt:
„Man nennt mich Pflichtgefühl.
Ich steh auf deutschem Grund,
Bleib treu auf meinem Fleck,
Wenn ein wahrhaftiges Gefühl längst fort ist.
Ich bin gepflanzt für jene,
Denen ein Gefühl suspekt ist.
Sie nennen mich Gefühl anstatt.
Ich verrichte, was von mir verlangt ist.
Ich verrichte den Tod
Am Feind, an mir, wenns sein muß.
Ich gebe nicht nach.
Meine Arbeit mach ich gründlich,
Verzweifle nie.
Ich halt aus und durch.
Dürre macht mir nichts,
Durchtränken wird mich nichts.
Mir ist alles gleich.
Meine Wurzeln schlingen sich
Durch Deinen Darm.
Nähren tut mich Deine Angst.
Du wirst nicht gehen,
Sondern bleiben, wo und wie Du bist.
Deine Kinder richtest Du ab nach mir,
Wie Du abgerichtet wurdest.
Sie werden keine Blüten treiben
Noch sprießen ihre Blätter,
Nicht auf meinem Grund.“
Das waren seine Worte.
So war mein Gesicht.
Ich hörte: Geh und leg es nieder.
Fürchte Dich nicht!
A.R.
7.1.20