Schwanengesang, possierlich

Aus Lust und im Wettstreit
Um den schönsten Schwanengesang
Eifern seit alters die Liedermacher
Um das herrlichste Lied zum Untergang.
Wer schreibt, der bleibt
Und wird zum Boten,
Buhlend um die Hörerschaft
Des wahrhaftig letzten Toten.

Stets warf die Welt genügend ab.
Apokalypse war nie knapp
Wie jetzt Klopapier und Hefe.
Es regnete Pech und regnete Schwefel
In den guten alten Zeiten
Voll von apokalyptischen Reitern.
Beben, Kriege, wahre Pestilenzen
Waren die soliden Ingredienzen
Für das Große Finale,
Das Letzte Abendmahl.

Nun ist die Bedrohung unsichtbar
Weissagen Virologen und Politiker
In Zeiten von Aids, Ebola, Corona.
Nicht zu vergessen Feinstaub, Klima
Und als ich noch ein Kind war,
War die Bedrohung atomar.
Doch was macht die Sache heute so schal?

Sie kommt so aus dem Hut gezaubert,
Zugleich berechnend und absehbar.
Ich sehe Boote sinken
Vor den Häfen an den Küsten von Europa.
Ich sehe Schwarze ertrinken,
Ihre letzte Karte spielend
Gegen Tristesse und Tod in Afrika.
Ich sehe Syrer an den Grenzen,
Bürgerkrieg und Lager fliehend,
Griechen, Grenzbeamte,
Wasser werfend, auf sie zielend.
Ich sehe Landesführer,
Feig und mutlos unser Leben zu wenden,
Den Lärm am Himmel, die Ausbeutung
Auf Erden zu beenden.

Nun aber kommt Corona.
Das Leben steht still,
Das kaum mehr wer zu leben versteht
Und doch nicht sterben will.
Die Grenzen geschlossen, die Läden dicht.
Am Hafen vor Lampedusa kein Licht.
Wie gerufen steht Corona
Auf dem Plan.
Und mir scheint die Methode
Hat Wahn.
Die Bühne für das letzte Stück
Zeigt folgende Szene:
Die Kanzlerin begibt sich
Wie ihr Volk in Quarantäne.
Boris Johnson winkt mit Corona
In die Überbleibsel von Europa.
Stumm aber bleiben die Schwäne.

A.R.
28.3.20