Für William Dunbar, hierzulande nicht so geläufig

  
Der Tod ist ein uralter Fluch
Den keine Kirmes übertönt
Befremdlich und eigen der Klang
Wie Echo im Unterholz
Wie Walgesang.
 
Er lässt geliebte Kinder
Ihrer Krankheit erliegen
Eltern heillos zurück.
Für die Trauer existiert kein Wort.
Sterben im Alter ist längst kein Glück
 
Forscher, Mediziner
Sie wollens grade biegen
Schnibbeln an Dir wie Schneider Wibbel
Im Akkord.
Im Wahn kurz mal den Tod besiegen
Tragen sie Dich stückweis fort.
 
Ach Freundchen
Du musst dran glauben
Geh besser zuvor 
Mit Dir ins Moor
Präparier Dich als schöne Leich.
 
Apropos den Tod besiegen:
Da gabs ja mal den Lazarus.
Der Typ der ihn vom Tod erweckte
Erstickte an einem Kuss.
 
Dein Gefängnis ist der Leib die Zeit
Ein anderes betrachtet von außen
Das ist die Ewigkeit
Es gibt kein Drinnen im Draußen
 
Deine Mutter ist zehn Tage tot
Dein Vater meldet sich krank
Und Du schaust jünger wie zwölf
Kommst nicht zu Dir bist nicht bei Dir
Zeigst Dich noch beflissener und eiliger
Und ich weiß nix das hilft:
Dass mein Vater nächtens
Nachdem er Jahre tot ist
Nur noch freundlich zu mir spricht
Dir zu sagen brauchst Du nicht:
Meiner war lebtags kein Heiliger.
 
Die Verse sind außer Form
Schlecht ans Holz geheftet zerfasert.
Warum nicht auf den Tod das schieben
Der jeden Vorhang zerreißt?
Wozu ich Verse schreib?
Na damit was von mir überbleibt
Ein verfluchter Vers mich überlebt
Das ist die Idee und heißt:
Timor mortis conturbat me.
 
 
A.R.
29.6.23

Für ne flüchtige Bekannte

 
 
Wenn Du noch immer errötest vor Scham
Für Sachen, die Du schon öfter getan,
Ja warum tust Du sie dann, sag an!
Du tust nicht was Du willst
Und willst nicht was Du tust
War die Erkenntnis, die über Paulus 
Den Damaszener kam.
 
Ich meine das wäre keine kleine Sache,
Falls ich als ein Mann das machte,
Ließ ich von meinen Kindern mich schnappen,
Mich über die Straße bugsieren,
Bloß weil ne alte Bekannte auf ihrem Weg flussauf
Entgegen käm. Als Mann hätt ich damit ein Problem.
Tät ichs Gesicht verlieren,
Ich ginge nur noch durch als Lappen;
Und außerdem:
Passt bitte auf den Bus auf! –  
 
Weil Du nicht willst was Du tust
Und nicht tust was Du willst,
Sammelt sich ein Arsenal von Frust
Bis hin zum Overkill.
Am Ende hats Niemand gewollt.
Ich seh die Dinge in der Breite,
Schau ohne falsche Scham,
Wies drüben weitergeht auf Deiner Strassenseite.
Nicht so toll.
 
Die Straße runter hört man so,
Dein Mann hat jetzt ne Flamme am Rhein,
Am Ende vom Lied die Loreley.
Klaubt sich Kohle vom Konto fürn Cabrio,
Mit so was fährt sichs nie lang allein.
Der lacht Dich aus, von Haus aus
Zählt er ganz platt, was er hat.
Das war ja, was ihn über Wasser hielt,
Nachdem ich so böse gezielt 
Gegen den ganzen Lug und Trug,
Die quälende Liebelei:
Schuss vor den Bug!
 
So, was hast nun Du?
Tatsächlich Furcht, die Kinder könnten überlaufen?
Meine Kinder sind mir geblieben.
Hast Du wirklich nötig ihnen zu willfahren,
Willst Du für Deine Freiheit ihre Gunst erkaufen?
Glaubst Du also nicht, 
Dass sie Dich wirklich lieben?
 
 
A.R.
12.6.23
   

Karwoche

 

 Das Fasten wär fast flach gefallen
 Wie jedes Jahr, doch half die Pleite.
 Ich bin geboren auf der Sonnenseite
 Des Abendlands, dem Liebling von Allen.
  
 Drum fiels nicht leicht mir nix zu pumpen
 Von Freunden, die mich nicht blamieren,
 Vor denen ich mich bisschen bloß geniere.
 Es gibt so Leut die lassen sich nicht lumpen.
  
 Vorhanden in der Speisekammer warn:
 Rosinen, Milch, Mehl, Eier, Zucker.
 Sieh an, noch bin ich gar kein armer Schlucker:
 Das Fasten bricht an mit einem Kaiserschmarrn.
  
 Auch gabs noch reichlich Kaffeebohnen.
 Kein Luxus, nötig gegen Kopfpinn.
 Und weil ich kürzlich noch am Tropf hing
 Darf bisschen Tabak meine Nerven schonen.

 Finito war ich mit den Alkoholika.
 So kam ich nicht so recht ins Schwingen,
 Als müsst auf einem Ton ich singen:
 Wer weiß vielleicht ists ja die Tonika.
  
 Kein Lebensmittel soll verkommen.
 Drum geht das Fasten nur eklektisch.
 Mein Sturz vom Rad zuvor war epileptisch.
 Mein Glaube ist, was mir geschieht wird frommen.
  
 So soll mir auch zum Besten dienen,
 Dass gestern Kohle kam aufs Konto.
 Der Gastwirt hats quittiert mit einem Pronto
 Hier in der Osteria, nix haute cuisine.
  
 A.R.
 05.04.23 

Die mit der Zeit gehn

 
  
 Wenns mal wieder eng wird,
 Weil Du sperrig bist,
 Dich nicht zugesellst,
 Die Spur nicht hältst,
 Wird’s Zeit sich umzudrehn:
 Sieh in die Vergangenheit.
 Dort wirst Du sehn:
 Die mit der Zeit gehn
 Die gehn auch mit der Zeit.
  
 Sag den Leuten nie,
 Wenn Du am Ende bist.
 Denn jeder Hansel hat
 Nen klugen Rat für Dich parat.
 Die wissen gut Bescheid
 Bei Rezepten für die Gegenwart
 Und wollen nicht verstehn:
 Die mit der Zeit gehn
 Die gehn auch mit der Zeit.
  
 Vom Ende der Sinn
 Ist stets ein Neubeginn.
 Nur wer rücksichtslos
 Nach vorne lebt,
 Kann rückwärts sich verstehn.
 Die Welt vergeht
 Und muss vergehn,
 Denn sie ist vermaledeit
 Wie die mit der Zeit gehn
 Vergehn auch mit der Zeit.
   
  
  
 A.R.
 19.02.23 

Kunstfrei

(ein deutscher Sonderweg)

Seht doch auf der Bühne geht das Licht aus
Der blaue Mond allein wirft einen Schein
Wortlos haut der Dichter ein Gedicht raus
So muss Lyrik nach Ausschwitz sein:
Im Freilufttheater fällt der Groschen.
Das Deutsche nahm der Hölle ein Suffix
Hinterließ der Welt ein schwarzes Stoppelfeld
Lange hieß es: Da war doch nix –
Doch. Der Wiener sagt: O ja
Heute ist was war längst abgedroschen
Ja oder was fällt Dir denn noch
Zum <Klang der Stille> ein?
Tonlos auch die Akkorde auf der Leier
Der Komponist nahm sein eingestrichnes Ich
Einzelnt aus-ein-ander auweia
Selbst die Zensur klappt ohne Noten nicht
Im Freilufttheater für fünf Groschen.
Dokfuffzehn räumt den Platz mit Gründlichkeit
Für das Kollektiv Presence des femmes
Irgendwann dann kommt die Polizei
Ooh ja die Zeit bleibt bleiern
Auf deren Bild wird eingedroschen
Das Werk geht schleunigst in Gewahrsam
Zack ab in Staates Sicherheit.
A.R. 20. Dezember 22