Der Tod ist ein uralter Fluch Den keine Kirmes übertönt Befremdlich und eigen der Klang Wie Echo im Unterholz Wie Walgesang. Er lässt geliebte Kinder Ihrer Krankheit erliegen Eltern heillos zurück. Für die Trauer existiert kein Wort. Sterben im Alter ist längst kein Glück Forscher, Mediziner Sie wollens grade biegen Schnibbeln an Dir wie Schneider Wibbel Im Akkord. Im Wahn kurz mal den Tod besiegen Tragen sie Dich stückweis fort. Ach Freundchen Du musst dran glauben Geh besser zuvor Mit Dir ins Moor Präparier Dich als schöne Leich. Apropos den Tod besiegen: Da gabs ja mal den Lazarus. Der Typ der ihn vom Tod erweckte Erstickte an einem Kuss. Dein Gefängnis ist der Leib die Zeit Ein anderes betrachtet von außen Das ist die Ewigkeit Es gibt kein Drinnen im Draußen Deine Mutter ist zehn Tage tot Dein Vater meldet sich krank Und Du schaust jünger wie zwölf Kommst nicht zu Dir bist nicht bei Dir Zeigst Dich noch beflissener und eiliger Und ich weiß nix das hilft: Dass mein Vater nächtens Nachdem er Jahre tot ist Nur noch freundlich zu mir spricht Dir zu sagen brauchst Du nicht: Meiner war lebtags kein Heiliger. Die Verse sind außer Form Schlecht ans Holz geheftet zerfasert. Warum nicht auf den Tod das schieben Der jeden Vorhang zerreißt? Wozu ich Verse schreib? Na damit was von mir überbleibt Ein verfluchter Vers mich überlebt Das ist die Idee und heißt: Timor mortis conturbat me. A.R. 29.6.23
Für ne flüchtige Bekannte
Wenn Du noch immer errötest vor Scham Für Sachen, die Du schon öfter getan, Ja warum tust Du sie dann, sag an! Du tust nicht was Du willst Und willst nicht was Du tust War die Erkenntnis, die über Paulus Den Damaszener kam. Ich meine das wäre keine kleine Sache, Falls ich als ein Mann das machte, Ließ ich von meinen Kindern mich schnappen, Mich über die Straße bugsieren, Bloß weil ne alte Bekannte auf ihrem Weg flussauf Entgegen käm. Als Mann hätt ich damit ein Problem. Tät ichs Gesicht verlieren, Ich ginge nur noch durch als Lappen; Und außerdem: Passt bitte auf den Bus auf! – Weil Du nicht willst was Du tust Und nicht tust was Du willst, Sammelt sich ein Arsenal von Frust Bis hin zum Overkill. Am Ende hats Niemand gewollt. Ich seh die Dinge in der Breite, Schau ohne falsche Scham, Wies drüben weitergeht auf Deiner Strassenseite. Nicht so toll. Die Straße runter hört man so, Dein Mann hat jetzt ne Flamme am Rhein, Am Ende vom Lied die Loreley. Klaubt sich Kohle vom Konto fürn Cabrio, Mit so was fährt sichs nie lang allein. Der lacht Dich aus, von Haus aus Zählt er ganz platt, was er hat. Das war ja, was ihn über Wasser hielt, Nachdem ich so böse gezielt Gegen den ganzen Lug und Trug, Die quälende Liebelei: Schuss vor den Bug! So, was hast nun Du? Tatsächlich Furcht, die Kinder könnten überlaufen? Meine Kinder sind mir geblieben. Hast Du wirklich nötig ihnen zu willfahren, Willst Du für Deine Freiheit ihre Gunst erkaufen? Glaubst Du also nicht, Dass sie Dich wirklich lieben? A.R. 12.6.23
Karwoche
Das Fasten wär fast flach gefallen Wie jedes Jahr, doch half die Pleite. Ich bin geboren auf der Sonnenseite Des Abendlands, dem Liebling von Allen. Drum fiels nicht leicht mir nix zu pumpen Von Freunden, die mich nicht blamieren, Vor denen ich mich bisschen bloß geniere. Es gibt so Leut die lassen sich nicht lumpen. Vorhanden in der Speisekammer warn: Rosinen, Milch, Mehl, Eier, Zucker. Sieh an, noch bin ich gar kein armer Schlucker: Das Fasten bricht an mit einem Kaiserschmarrn. Auch gabs noch reichlich Kaffeebohnen. Kein Luxus, nötig gegen Kopfpinn. Und weil ich kürzlich noch am Tropf hing Darf bisschen Tabak meine Nerven schonen. Finito war ich mit den Alkoholika. So kam ich nicht so recht ins Schwingen, Als müsst auf einem Ton ich singen: Wer weiß vielleicht ists ja die Tonika. Kein Lebensmittel soll verkommen. Drum geht das Fasten nur eklektisch. Mein Sturz vom Rad zuvor war epileptisch. Mein Glaube ist, was mir geschieht wird frommen. So soll mir auch zum Besten dienen, Dass gestern Kohle kam aufs Konto. Der Gastwirt hats quittiert mit einem Pronto Hier in der Osteria, nix haute cuisine. A.R. 05.04.23
Die mit der Zeit gehn
Wenns mal wieder eng wird, Weil Du sperrig bist, Dich nicht zugesellst, Die Spur nicht hältst, Wird’s Zeit sich umzudrehn: Sieh in die Vergangenheit. Dort wirst Du sehn: Die mit der Zeit gehn Die gehn auch mit der Zeit. Sag den Leuten nie, Wenn Du am Ende bist. Denn jeder Hansel hat Nen klugen Rat für Dich parat. Die wissen gut Bescheid Bei Rezepten für die Gegenwart Und wollen nicht verstehn: Die mit der Zeit gehn Die gehn auch mit der Zeit. Vom Ende der Sinn Ist stets ein Neubeginn. Nur wer rücksichtslos Nach vorne lebt, Kann rückwärts sich verstehn. Die Welt vergeht Und muss vergehn, Denn sie ist vermaledeit Wie die mit der Zeit gehn Vergehn auch mit der Zeit. A.R. 19.02.23
Kunstfrei
(ein deutscher Sonderweg)
Seht doch auf der Bühne geht das Licht aus Der blaue Mond allein wirft einen Schein Wortlos haut der Dichter ein Gedicht raus So muss Lyrik nach Ausschwitz sein: Im Freilufttheater fällt der Groschen. Das Deutsche nahm der Hölle ein Suffix Hinterließ der Welt ein schwarzes Stoppelfeld Lange hieß es: Da war doch nix – Doch. Der Wiener sagt: O ja Heute ist was war längst abgedroschen Ja oder was fällt Dir denn noch Zum <Klang der Stille> ein?
Tonlos auch die Akkorde auf der Leier Der Komponist nahm sein eingestrichnes Ich Einzelnt aus-ein-ander auweia Selbst die Zensur klappt ohne Noten nicht Im Freilufttheater für fünf Groschen. Dokfuffzehn räumt den Platz mit Gründlichkeit Für das Kollektiv Presence des femmes Irgendwann dann kommt die Polizei Ooh ja die Zeit bleibt bleiern Auf deren Bild wird eingedroschen Das Werk geht schleunigst in Gewahrsam Zack ab in Staates Sicherheit.
A.R. 20. Dezember 22