Thomas Bernhard geifert gegen Bob Dylan

Es ist nicht kein Ding, sondern ein Unding, dass nicht nur ein englisch sprechender – was bitte sollte ein Englischsprachiger sein außer einem Wortungetüm? -, sondern gar ein amerikanisches Englisch sprechender Literat, der nahe an nichts geschrieben hat außer einem Haufen Lieder, die er vornehmlich durch seine eigene Stimme immer wieder selbst geschreddert hat – und in dem Grummeln Glenn Goulds zu den Goldberg Variationen steckt mehr Gesang – den Literaturnobelpreis, bei dessen Verleihung, wenn es gerecht zuginge, ausschließlich deutsch schreibende Literaten zum Ziehen kommen dürften und unter denen wiederum keine Piefkes, weil sie ja zum Zuge kommen würden, worin sich ihr mangelndes Sprachgefühl bereits ein für allemal manifestiert, nicht nur entgegen genommen, sondern ihn sich in der allerunverschämtesten Weise hat hinterher tragen lassen. An diesen vollkommenen Niedergang einer ohnehin zweifelhaften Institution, des Nobelpreiskomitees, das in seiner Konstruktion nach Art eines Luftschlosses nicht einmal den Vergleich mit der österreichischen Monarchie zu scheuen braucht, an diesen nahezu grandiosen Akt der Selbstzerstörung erinnern heuer die Feierlichkeiten zum 80sten Geburtstag von diesem Literaturnobelpreisersitzer Bob Dylan, von dem wir einzig wissen, dass sein Name nicht Bob Dylan ist und naturgemäß auch nicht Henry Porter.

Es ist jedenfalls vollkommen grotesk, dass dieser herumzigeunernde Jude, wie ihn einmal ein am Bodensee noch immer und vermutlich zu seinem eigenen Entsetzen noch immer lebender und herumlungernder deutscher und also minderbemittelter Kollege – aber beleidigen auf engstem Raum in verschiedene Richtungen ausspuckend, das können die Deutschen, darin sind sie noch immer unübertroffen! -, wie ihn also diese Walze mit dem lutherischen Vornamen aus Ärger darüber, dass seine Tochter Franziska die G’schichteln von diesem Alias Dylan tatsächlich interessanter fand als die Novellen ihres Herrn Papa, die einzig aus dem Motiv Anderen oder sich selbst eins auszuwischen geschrieben worden sind, bei denen es sich also um Klatscherzählungen handelt, bezeichnet hat, dass also dieser herumzigeunernde Jude, der er wohlmöglich tatsächlich ist, zumal er sich hat taufen lassen auf den Namen Robert Zimmermann, offenkundig, um eine ruhmreiche Sesshaftigkeit vorzutäuschen, sich vor einigen Jahren bei sich zu Hause, wo immer das sein mag, New York oder Malibu oder on the road in seinem gottverfluchten Tourbus, Tee oder seinen eigenen Whiskey namens Heaven’s Door trinkend und dabei vor dem TV abhängend, den Nobelpreis für Literatur unter seine schmutzigen Nägel gerissen hatte. Gleichermaßen grotesk, allerdings mangels Alternative ebenso zwangsläufig hat sich dieser daher gelaufene Strolch auf die Tradition William Shakespeares berufen, denn eine andere Tradition in der englisch-amerikanischen Literatur ist nicht vorhanden, außerhalb jenes Dramatikers von Weltrang, der in Wahrheit der einzige bedeutende Dramatiker der Neuzeit überhaupt ist – denn Schiller war auch ein Strolch und Goethe staatstragend, also vollkommen unmöglich – gibt es in der angelsächsischen Literatur nichts weiter als ein ungeheuer großflächig geratenes waste land, wobei außer Frage steht, dass William Shakespeare niemals den Literaturnobelpreis angeboten geschweige denn angenommen hätte zu seiner Zeit, weil er, wie dieser Shakespeare andauernd im Munde führende Strolch ganz richtig sagt, ausschließlich mit Stückeschreiben für das gemeine Volk beschäftigt war, das Komitee hingegen ausschließlich mit der Sichtung seiner eigenen Nobilität.

Wenn es also jemals in der Möglichkeit , welche tatsächlich und von vorn herein eine Unmöglichkeit gewesen ist, gestanden hätte, dass das Nobelpreiskomitee aufgrund eines aus seiner Sicht kolossalen Fehlgriffs mir, Thomas Bernhard, den Nobelpreis für Literatur angetragen hätte, so hat das Komitee sich, indem es über diesen Dylan, bei dem es sich nicht einmal um jenen anständigen irischen Säufer Thomas Dylan, sondern um einen Bourbonwhiskeyproduzenten, Trinker und nebenbei auch Kiffer handelt, der es aus unerfindlichen Gründen trotz einer Histoplasmose in sein 80stes Lebensjahr geschafft hat, das Los geworfen hat, endgültig der Möglichkeit beraubt, dass ich aus menschlicher Schwäche ihren Schmeicheleien und den Annehmlichkeiten von achthunderttausend Dollar auf einem Schweizer Nummernkonto nachgegeben und den Nobelpreis tatsächlich angenommen hätte. Ich denke, nein ich bin gewiß, dass niemand, weder innerhalb noch außerhalb des Komitees, diese Konsequenz bedacht hat, welches nichts weiter ist als eine weitere Leichtfertigkeit in einer Welt der Leichtfertigkeiten, einer Welt, aus der ich mich längst verabschiedet habe, lungenkrank, morbid und ungeimpft.

A.R.

27. Mai 2021

Thomas Bernhard ätzt gegen die Impfwilligen

Ein Geistesmensch hört die Stimme des Zeitgeistes, wenn sie nicht geradewegs aus ihm selbst herauskommt, stets von der entgegen gesetzten Richtung her; ein Geistesmensch steht gegen ihren Rückenwind, der meistens mit Gestank einhergeht und sei es auch dem Gestank der Desinfektion. Nur auf solche Weise lässt sich nämlich tatsächlich hören, was gesagt wird, wohingegen die mit dem Zeitgeist Einverstandenen nicht einmal zu hören bereit sind, wovon wahrhaftig die Rede ist. Die Zeitgenossen, vorweg diejenigen, die ihre Zeit tatsächlich bereits überschritten haben, weil ihnen niemand mehr sagt, wofür sie sterben sollen und weil der Grund ihres Lebens einzig und ausschließlich noch der ist nicht sterben zu wollen, erkennen also nicht, dass sie Teil eines gnadenlos geführten Wettrüstens gegen das Virus sind und weiter nichts. All diese vormals friedensbewegten Natodoppelbeschlußgegendemonstranten und Atomkraftgegner unterwerfen sich mit Hingabe und ohne jeglichen Verstand allen Maßnahmen, die die buchstäbliche Ausrottung des Virus zum Ziel haben und aber gerade dadurch dessen Waffen unweigerlich und massenhaft den Tod bringend schärfen.

Mit einer Glasklarheit, die ihn als Apologeten der Impfungen geradezu für das eigene Lager gefährlich macht und dessen treuhänderisches Rohwedder-Schicksal als ein von den Regierenden Gemeuchelter und anschließend mit höchster Staatstrauer Geehrter ich tatsächlich fürchte und zu fürchten mich getraue, erzählt das denen, die noch Ohren haben zu hören, der Dr. Martin Stürmer, der sich rein äußerlich freilich ausnimmt wie ein Sancho Pansa neben der Donquichotterie Rohwedders, welcher in die DDR kam um sie zu sanieren, aber nicht begriff, dass er beauftragt war die DDR mit Stumpf und Stiel auszurotten und zu vernichten. Der Stürmer berichtet uns das Virus dürfe keineswegs unterschätzt werden: Da es durch das weitestgehende Impfen der Alten und Vorerkrankten, zu denen ich mich als bereits geölter Lungenkranker zähle, ja seine natürlichen Wirte verliere, flüchte es sich in Mutationen und dieser Fluchtweg, der naturgemäß in den Rachen jüngerer Menschen und zu einer Radikalisierung des Virus führe, müsse dem Virus radikal abgeschnitten werden, durch noch schärfere Maßnahmen der Isolation des Einzelnen. Mit anderen Worten lauert die Gefahr für den Stürmer nicht wie für den Rohwedder darin, dass er die Aufgabe zu lasch, sondern dass er sie der menschlichen Natur zuwider zu gründlich und radikal angeht.

Das Überleben solch eines Gipfelstürmers des Geistes, der immer nahe am Rand der völligen geistigen Umnachtung steht, wird nun dadurch einigermaßen gesichert, dass der Massenmensch ihn nicht versteht. So ist es auch hier. Was hier zu begreifen wäre, aber tunlichst nicht begriffen wird, ist nichts anderes als die unumstößliche Tatsache, dass wir von der Regierung und ihren Impfherstellern, die nicht ihre Adjutanten, sondern ihre Generäle sind, in eine Abnutzungs- und Materialschlacht gegen das Virus geschickt werden, die gerade mit Hilfe der Impfungen immer grausamer geführt wird, indem das Virus mit britischen, bald auch indischen, brasilianischen und südafrikanischen Varianten gegenrüstet, wogegen wiederum neue Impfstoffe entwickelt werden müssen und so weiter und so fort. Das Schlachtfeld ist der menschliche Körper, den zu schinden und auszubeuten sich alle bisherigen Herrschaftsformen zwar zum Ziel gesetzt haben; allerdings war es nie zuvor in der Menschheitsgeschichte gelungen sich gleichzeitig und in totaler Benutzung des Menschen als Material als lebensrettende menschliche Herrschaftsform zu etablieren.

Vor diesem Meisterstück, welches nur einem wahrhaftig existenten und der Lüge und dem hinter das Licht führen der Menschheit über Jahrtausende geübten Geist zugeschrieben werden und nur einem solchen gelingen kann, einem Geist, der durch Aufklärung und Wissenschaft den massenhaft Aufgeklärten längst für ausgerottet erklärt worden ist, vor diesem seinem Meisterstück mich zu verneigen hindert mich einzig und allein die Gestalt, in welcher jener Geist erscheint: Sie zischelt andauernd an meinem Fuß und schlängelt sich am Boden entlang.

A.R.

3. Mai 2021

Thomas Bernhard besiegt die Bilder von Bergamo

Ein infizierter Geistesmensch geht in der Pandemie in kein Spital, das ist ausgeschlossen. Er läßt sich auch in kein Spital verbringen. Der Geistesmensch befindet sich auf dem Pfad des Geistes und das bedeutet zu lernen sich selbst zu beherrschen; das ist das Einzige, das ein Mensch vollständig beherrschen kann. Er tritt wie Jedermann ein in die Welt mit einem Schrei, gleichermaßen auch sie, das weibliche Pendant. Die Welt erzwingt den ersten Atemzug, das ist nicht beherrschbar.

Er und gleichermaßen auch sie treten aus dem Leben durch Aushauchen desselben. Es wird in einem Leben, welches ernsthaft im Geiste geführt wird, darum gehen den letzten Atemzug selbst zu vollenden, das ist dann ein sich selbst vollendendes Leben, das gute Ende eines satten Lebens. Darum ist der Anschluss eines menschlichen Lebens an eine so genannte Beatmungsmaschine würdelos, denn sie verlängert das Leben über sein wie auch immer vorher bestimmtes Ende hinaus.

Über derartige lebensverlängernde Maßnahmen wissen sie in Österreich recht gut Bescheid. Tatsächlich sollte das 1806 zum Untergang bestimmte Heilige Römische Reich der Habsburger im Jahre 1938 noch einmal am so genannten Heldenplatz durch den Anschluss an die Beatmungsmaschinerie des Dritten Reichs, welche sich letztlich als Vergasungsmaschinerie erwies, wieder belebt werden unter Adolf dem Oberösterreicher.

Unter Geistesmenschen ist es nicht nur erlaubt derart kühne Parallelen zu ziehen und Analogien zu bilden, sondern es dient vielmehr der Distinktion von Personen, die sich als Journalisten unter die Geistesmenschen haben akkreditieren lassen und dort aber nichts verloren haben, das sie mit ihren Methoden und mit Hilfe ihrer berufsmäßig ausgebildeten Anlagen wiederfinden könnten. Journalisten sind die Eintagsfliegen unter den Geistesmenschen und sie fliegen dadurch auf, dass sie sich empören über derlei Menschen verachtende Vergleiche, weil ja die Pflegekräfte, die unter Einsatz ihrer physischen Gesundheit und letztlich ihr eigenes Leben aufs Spiel setzend und darum als Helden stilisiert um das Leben der über ihre abgelaufene Lebensuhr hinaus Katapultierten, welche aller Vorausschau nach nie wieder richtig ticken werden wird, ringen, in die Nähe von Massenmördern gerückt werden. Für Journalisten erscheint es naturgemäß völlig absurd Lebensretter mit Masenmördern in einem Atemzug zu nennen und das ist, weil sie nichts verstehen von einem auf Geist hin bestimmtem Leben.

Die Pflegekräfte ringen nämlich ein auf Geist ausgerichtetes Leben auch schon einmal nach Kräften nieder, um es an die Beatmungsmaschine anschließen zu können. So berichtete mir tatsächlich ein größenwahsinniger und in seinem Stumpfsinn die darin liegende Selbstdenunziation nicht bemerken wollender Arzt, der mir, bevor ich ihn als Behandler meines Vaters kalt stellen konnte, anvertraute, dass seine Pflegekräfte wahrhaftig blaue Flecken davon getragen hatten, da mein Vater ihnen bei ihrem letztlich erfolgreich verlaufenen Versuch ihn auf dessen assistenzärztliche Anweisung an die Maschine anzuschließen, noch einzelne treffliche Hiebe verpassen konnte.

Nur in allerhöchster Verzweiflung, in einer prekären Lage, in die er durch Nachgiebigkeit, Unachtsamkeit oder Undiszipliniertheit geraten mag, leistet ein Geistesmensch einen aktiven und körperlichen Widerstand, der naturgemäß zwecklos ist. Dem Geistesmenschen geziemt es hingegen geistig Widerstand zu leisten und das bedeutet in Zeiten von Pandemie und nächtlicher Ausgangssperre sich heimlich und hinterrücks, gleichsam also in Wiener Manier, den Gefahren des ebenso heimtückischen Virus mit einer klammheimlichen Freude und einem innerten Vergnügen durch unaufdringlich wirkendes Kontakthalten auszusetzen, wo es irgend möglich ist ohne sich dabei erwischen zu lassen und dann aber geistesgegenwärtig und unbedingt allein zu Haus zu bleiben, sobald das Virus sie oder ihn erwischt haben.

25. April 2021

A.R.

Versuch über die Beendigung einer bürgerlichen Existenz

Kapitel 1

Eine Erschießung aus Bankrott kommt nicht in Betracht. Es befindet sich nicht einmal ein Schießeisen im Sekretär. Der Sekretär besteht nicht aus massivem Holz.

Eine Pistole fanden einst die neugierigen Blicke eines Kindes, das auf den Küchentisch seiner Eltern geklettert war, um die Schränke zu durchstöbern. Das Kind zeigte den Fund seiner Mutter. Das war in den großartigen 70er Jahren des 20ten Jahrhunderts in der BRD, mit dem Zechensterben im Revier und seinem Umbau in eine Dienstleistungsgesellschaft, mit seiner Liebe zu Beton und Stahl und seinem Hass auf das, was der letzte Krieg noch stehen gelassen hatte. Gundermann hingegen, der Lieder machende Baggerfahrer aus der DDR, hatte die gefundene Waffe seinen Eltern nicht gezeigt, sondern seinen Spielkameraden, bei denen die Präsentation, wie Gundermann wusste, eine viel günstigere Wirkung hinterließ; mit der Folge allerdings, dass diese ihrerseits es ihren Eltern erzählten: „Mama, der Gundi hatte heute eine echte Knarre auf den Spielplatz mitgebracht!“ Der alte Gundermann erhielt ein paar Monate Gefängnis von der sozialistischen Republik, die Mutter ließ sich scheiden und Vater sprach kein Wort mehr mit dem Gundi. Ein liedermachender Baggerfahrer war geboren. In der BRD gab es nur einen Appell der Mutter an den Vater, doch nun fast 30 Jahre nach dem Krieg, seine Waffe aus der Zeit der Wehrmacht endlich den Behörden zu übergeben. Vater wollte darauf von der Mutter wissen, was der Kleine bitte auf dem Küchentisch zu suchen hat. Ob er seine ganz persönliche Kapitulation gegenüber den Alliierten in Gestalt eines deutschen Beamten vollzogen hat, ist nicht bekannt.

Das Schicksal will halt heraus gefordert werden, sonst bleibt es beim müden Appell.

Als Sachwalter einer reichen Witwe aus anrüchigem Milieu wurden ihm einmal zwei dekorative Waffen zugespielt von der konspirativen, polnischen Haushälterin. Die Waffen gingen zur Polizei. Die dort vorgefertigte Erklärung zur Aufgabe des Besitzes, mit der die Staatseinnahmen aufgebessert werden, wurde von ihm nicht vorab unterzeichnet. Dadurch gelangten die Waffen wieder an die Besitzerin, da sie zum Gebrauch als Schusswaffe nicht geeignet waren, wie die Polizisten wussten.

Eine Selbsterschießung aus Gründen des Bankrotts kommt wie erwähnt nicht in Betracht. Denn die Würde dessen, der seines bürgerlichen Antlitzes verlustig gegangen ist, kann dadurch nicht wieder hergestellt werden, nicht in den Augen der Gegenwärtigen, das sind die ins 21. Jahrhundert hinüber gelangten love-and-peaceler. Denen ist Gewalt noch mehr zuwider, seitdem das Gesicht ihrer Bewegung, die Petra Kelly, wohl möglich im Einverständnis mit ihrem Freund und Generalmajor Gert Bastian, der eine Waffe im Hause hatte, von dem Herrn Generalmajor deutlich vor dem Hinübergleiten in das 21. Jahrhundert weggeschossen worden war, bevor dieser selbst Hand an sich legte. Diese Tat, sie ging vielleicht noch durch als Schmerz von Welt, aber Abschied nehmen wegen ein paar fehlender Piepen, das ist überzogene Eitelkeit.

Schlußendlich ist die Spielerei mit dem Thema Waffe müßig und fallen zu lassen, weil ja eine Waffe gar nicht greifbar ist. Greifbar allerdings ist das Schmuckkästlein einer kleinen und dementen Frau, die große Stücke auf sich hält.

Besser gesagt hält sie nichts von sich, was sie sich jedoch durch die Herabwürdigung anderer Menschen schön redet. Sie berlinert herum und bezeichnet die junge Richterin, auf die ein zweites Auge zu werfen sich lohnt, in Gegenwart ihres angehenden Sachwalters, eines Kavaliers, als blöde Kuh. Anschließend kippt sie einen Kübel aus triefendem Bedauern hinterher: „Leute, die dümmer sind als ich, die habens bei mir schwer“. Gewissermaßen, um sie bei der Pöbelei angemessen zu vertreten, randaliert ihr Sachwalter in der Kruppschen Krankenanstalt, weil dort nach der Tradition des Hauses Arbeit im Akkord für Ärzte durchgeführt, aber das Förderband für seinen Schützling aus Bosheit gegen den Sachwalter, der bereits bei der Terminvereinbarung aufsässig war, absichtlich angehalten wird. Das Giften des Sachwalters gegen die Ärzte im Besonderen, aber auch im Allgemeinen, nimmt sie zum willkommenen Anlaß, den Sachwalter als über die Maßen, ja ungeheuerlich blöd zu bezeichnen. Der Sachwalter verlässt daraufhin in Begleitung seines Praktikanten, eines leidenschaftlichen Jägers, die Anstalt, ohne je in Erfahrung zu bringen, ob die Geldgier der als Stiftung getarnten Kruppschen über die Formalitäten siegte und die Patientin ohne obligatorische Unterschrift ihres Betreuers behandelt wurde.

Vor diesem Hintergrund kann nicht gesagt werden, dass die Veruntreuung und Versilberung ihres Schmuckkästleins, dessen Inhalt der Juwelier auf knapp EUR 50.000,- taxiert hat, durch den Sachwalter ohne einen rechtfertigenden Grund erfolgte: Und mit erfolgte ist der stilvolle und würdelose Konjunktiv und nicht das Imperfekt im Indikativ gemeint. Denn das Ganze ist ein Versuch über die Beendigung einer bürgerlichen Existenz. Allerdings ist es schon so, dass die Schmuckankäufer bar bezahlten, also in bar bezahlen würden.

Kapitel 2

Nun, Unentschiedenheit bekanntlich ist der Seele eigentliche Qual. Fünf Finger hat der Mensch an einer Hand, doch besser lebt sich’s digital und aufgereiht als Null und eins mit sich. Die Elster flog davon und stahl das Schmuckkästlein, darin lag Ehre, Besitz und Ansehen bei Gott. Bei Gott, es waren diese drei, vereint. Die längsten Finger langten nicht die Elster wieder einzufangen. Sogar das Steuerprogramm der deutschen Finanzverwaltung mit gleichem Namen vermochte diese Elster nicht aufzuhalten. Entgegen ihrer Natur verließ sie das Land und unterflog alle Radare, ihr Flügelschlag verfinsterte die fliegenden Kameras in der Luft. Wenn es eines Beweises noch bedurfte, dass die deutschen Grenzen nicht mehr sicher sind, so war der gefiederte Vogel der Beweis.

Die Elster hinterließ Gerüchte. Mal wurde sie über einem Containerschiff in Richtung Afrika gesichtet. Über dem Horn von Afrika hieß es habe sie den Inhalt ausgeschüttet. Die Frauen vom Stamme der Alaba, für ihre Freude an Verzierung bekannt, hätten sich die schönen Perlen umgehängt, die Ringe aber übergaben sie je zur Hälfte dem protestantischen Pfarrer und dem örtlichen Hexenmeister, auf Nummer sicher gehend. Andere wollten wissen, das schöne Gut sei herab gefallen in den Schoß eines jesidischen Mädchens, das als Sklavin gehalten wurde von einem der letzten Provinzstatthalter des Islamischen Staates auf dem Boden Syriens. Durch Bestechung sei ihr daraufhin die Flucht gelungen; mit dem Schmuckerlös habe sie dann auf dem Viehmarkt einen Ochsen und ein Stück Land in der sicheren Zone gekauft und einen Mörder gedungen, der ihren Peiniger abgeschlachtet habe. Das davon gedrehte Video sei um die Welt gegangen; wie aber das Schmuckkästlein in den Schoß des Mädchens gefallen war, da gab es keine Bilder von. Schade.

Jedenfalls lässt sich sagen: Das Schmuckkästlein unter den Fittichen der diebischen Elster hat weit mehr ausgerichtet in der Welt als im Gewahrsam des Besitzers denkbar war.

Vom Ausflug der Elster abgesehen geht alles seinen schleppenden Gang. Der bürgerliche Tod ist ein langsamer. Im Bemühen ihm entgegen zu kommen verstrickt einer sich in seinen Auffangnetzen. Es reicht nicht aus die Lizenz zur Ausübung einer bürgerlichen Profession an den Aussteller zurück zu senden und zu sagen: „Danke, das wars“, und sei es offensichtlich zu dem Zweck die Mahlzeit wieder entspannt am Ende der Tafel und nicht – wenigstens in Folge eigener Eingebildetheit – vor Kopf wie einst Damokles einnehmen zu dürfen. Denn die Bürgerlichkeit ist hochgradig alarmiert; sie ist alles, was sie sich selbst vorstellen kann ohne in Panik zu geraten, außerhalb von ihr ist es prekär und nicht auszumalen. Deshalb ist mit der Rückgabe der Lizenz noch nicht alles getan, um das langwierige Procedere ihres Entzugs zu beenden. Denn der Verzicht führt zu einer amtlichen Feststellung, dass verzichtet wurde und erst mit dieser Feststellung ist es dann auch amtlich und somit tatsächlich in der Welt beziehungsweise aus der Welt. Die Bourgeoisie denkt aber den Menschen, jedenfalls ihresgleichen, als eine zutiefst gespaltene Persönlichkeit, die mindestens mit einem Fuß im bürgerlichen Sumpf stecken bleibt. Deshalb muß gerechnet werden mit der Selbsthintergehung des Verzicht Leistenden durch Einlegung eines Rechtsmittels gegen den auf dem Verzicht beruhenden Verzichtsbescheid. Deshalb und um selbst wieder festen Grund unter ihren eigenen Füßen verspüren zu können, mindestens was den ordentlichen Ablauf des von ihr verwalteten Verfahrens betrifft, bittet die auch infolge ihrer Aufgeregtheit jugendlich wirkende Dame an der Lizenzstelle um möglichst umgehende schriftliche Erklärung, dass der eigene Wunsch nach Verzicht den Verzicht umfasst gegen den erklärten Wunsch als in Auflösung befindliches Rechtssubjekt nicht und niemals mehr vorgehen zu wollen. Da fällt dem bürgerlich Denkenden ein, was Gundermann einst bei der Betriebsversammlung zum vom Kopf auf die Füße gestellten Hegel gesagt hat: „ Ich wäre ohne weiteres von selbst darauf gekommen, so einleuchtend ist das.“ Das Bürgerliche ist ein geschlossenes System, in dem das Selbst eingeschlossen ist. Schließt das Selbst sich selbst aus, bleiben ihm nur noch ein paar Brocken zum Existieren, auch philosophisch betrachtet.

Kapitel 3

An einem deutschen Theater wird ein Stück gegeben, in einem kleinen Haus. Die Karten für den Perser, der einst Flugblätter im Iran gegen den Schah durch Teheran schmuggelte, hier Asyl fand und seinen zu Besuch weilenden Begleiter liegen bereit. Auf Drängen des vorgeglühten kleinen Iraners, der seiner Gewohnheit gemäß zwischen Bürgersteig und Straßenrand wechselnd voranschreitet, dabei mit bühnenreifer Gestik Beobachtungen über Passanten hörbar zum Besten gibt, kehren die Beiden eine Viertelstunde vor der Vorstellung noch auf ein achtel Rotwein in der Theaterklause ein. Die Bestellung zieht sich. Der Arman amüsiert sich gründlich über den Deutschen, der sich um den Einlaß sorgt. Kenntnisreich berichtet er vom letzten Zeichen, welches das dritte Läuten sei, mit dem der Einlaß ende. Bis dahin sei das Achtel geleert und habe der Deutsche ein Problem damit, so vertrage Armans Leber, die die gesunde Leber eines Dreijährigen sei, ohne weiteres auch das Glas des besorgten Deutschen. Zudem habe der Arman ein außerordentlich feines Gehör, dem das letzte Zeichen keinesfalls entginge.

Der Deutsche erlegt schließlich, ohne ein Getränk vor der Nase, großzügig seinen Anteil an der Bestellung und eilt zur Theaterkasse, welche wegen seiner bescheidenen Ausstattung mit der Garderobe zusammen fällt. Die Obristin der Garderobe und die Kartenabreißerin, die sich ihrer Aufgabe bereits entledigt sieht und dazugesellt hat, sehen den Mann schon etwas grimmig an, er ist gerade einmal zwei Minuten vor der Zeit. Einen Gong, ein letztes Zeichen, so was habe das Theater nicht. Nacheinlaß werde heute nicht gewährt, so habe die Regie sie angewiesen. Der gute Mann, soeben hat er die Billets bezahlt, will das nicht glauben und lamentiert. Über den Gang geht würdevoll der Assistent der Regie und fragt, was Sache sei. Der Mann schlägt vor den Perser, einen wahren Enthusiasten und Kenner des Theaters, in vier Minuten herbei zu schaffen und bittet den Beginn des Stücks so lang hinaus zu schieben.

Der Regieassistent besteht auf dem pünktlichen Beginn des Stücks im Namen des nicht warten könnenden Publikums und auf der Unmöglichkeit des Nacheinlasses im Namen des ungestörten Ablaufs der künstlerischen Darbietung. Der um Fassung bemühte Mann, dessen Ärger über das so deutsche Theater und den persischen Freund sich die Waage hält, denkt kleinbürgerlich an sich selbst, lässt eine Karte an der Garderobe liegen und begibt sich auf seinen Platz, nicht allzu weit vom Eingang weg.

Arman erscheint, das Stück hinter der Tür ist fünf Minuten schon im Gang, für den Arman beginnt jetzt „Draußen vor der Tür“. Er ist der Hauptdarsteller, die Damen die Statistinnen. Die bereits bezahlte Eintrittskarte wird ihm von der Garderobe überlassen mit dem Hinweis, dass ein Einlaß nicht mehr möglich sei. Die Aufsicht bedauert, jedoch weiß sie sich im Recht; zumal sie die Bewerbungsrede eines gewissen Friedrich Schiller für einen Sekretärsposten bei der kurpfälzischen Sprachgesellschaft, die sich mit der alle versöhnenden Wirkung des Theaters befasst, dem Ort der Verbrüderung, der moralischen Anstalt, und zu der der Arman eine kleine Einführung hält, nicht kennt. Den Damen ist nur darum zu tun den Worte um sich werfenden Kerl im Ton zu mäßigen. Plötzlich hält der inne, schaut fassungslos auf einen Punkt und sagt: „Nicht bewegen, gnädige Frau. An Ihrer Epaulette entlang geht eine Spinne.“

Ein spitzer Schrei folgt auf den nächsten, als der Arman die Tür aufreißt und in der ersten Reihe vor der Bühne Platz ergreift, die Garderobe hinterher. Es wird gedroht mit Hausverbot. Der Arman aber hat inzwischen seine für solche Fälle bereit gehaltene Kippa aufgesetzt, erhebt sich, macht aufstampfend einen Schritt zurück, fuchtelt mit seinem billigen Brillengestell und ruft in den Saal: „Ist es schon wieder so weit, dass ein schwuler Jude wegen seiner Hautfarbe aus dem Theater entfernt wird?“ Dann nimmt er wieder Platz. Schockstarre für einen Moment, Gemurmel, fragendes Entsetzen. Eine blitzgescheite Darstellerin lässt den Auftritt geschickt in ihren Text einfließen.

Nach dem Ende des Stücks wird der Deutsche von der Garderobe mit kalten Blicken gestraft. Der Regieassistent eilt zu dessen jüdischen Freund, entschuldigt sich und würde sich freuen ihn demnächst wieder im Theater begrüßen zu dürfen. Der Arman gesellt sich wieder zu seinem Begleiter und meint er sei in der Klause aufgehalten worden. Der Deutsche habe am falschen Ende sparen wollen: Das Geld habe für zwei Achtel nicht gereicht, er habe aber die Kellnerin überzeugen können, dass der Deutsche die Zeche heute noch begleichen werde nebst einem angemessenen Trinkgeld.

Die Bourgeoisie hat Schwachstellen im System: ihr andauernd schlechtes Gewissen und damit einhergehend ihr Spleen für klug operierende Außenseiter.

(Fortsetzung folgt)

A.R.

Die Übertretung

Als ich ein Kind war spielte ich Tag für Tag mit den Kameraden vor der Tür. Mama hatte mir gesagt, was noch vor der Tür lag und was jenseits von ihr.

Die Grenze gen Osten war abgesteckt durch eine breite Straße, die war zu gefährlich, die war nicht zu queren. Ein aufgestelltes Kreuz am Straßenrand gemahnte daran. Die Weizen- und die Sonnenblumenfelder dahinter kannte ich nur von den Fahrten mit den Eltern über Land. Von diesseits der Straße waren sie nicht einsehbar; von da, auf Höhe unserer Grundschule Am Haferfeld – das Feld war längst weg – fiel der Blick die Rodenseel herüber zu der verbotenen Seite auf ein Hochhaus.

In dem Hochhaus wohnte der Armin Linde, ein Klassenkamerad. Der war selber für sein Alter hochgewachsen, trug dunkle, schwarze Locken über einer hohen Stirn. Mit seiner näselnden Stimme wusste er von geheimnisvollen Dingen zu sprechen, Angst machend und verlockend. Seine Mutter ging über den Tag arbeiten, die Art, wie er von Vadder sprach war frei von Ehrfurcht.

Armin fiel leicht mich zu überreden, ihn einmal, als die Schule früher als vorgesehen aus war nach Hause zu begleiten. Er hatte einen eigenen Wohnungsschlüssel, hingegen ich schon so manche verzweifelte Zeit vor der Tür verbracht hatte, wenn meine Mutter nicht rechtzeitig von einem Einkauf zurück gekommen war. Armin hatte auch ein eigenes Zimmer und keine Brüder. In seinem Reich angekommen offenbarte Linde mir, die Petra Skreba habe ihm anvertraut, sie wolle mich küssen, auf dem Schulhof, hinter den Aschentonnen, damit niemand es sehe.

Ich war kein Hindernis auf dem Weg, bei den Aschentonnen fand ich mich ein. Eine klare Erinnerung daran, ob ich einen Kuss gab oder empfing habe ich nicht mehr. Der Armin Linde hielt jedenfalls Wache vor den Aschentonnen und selbstverständlich hatte er sich auch schon hinter den Tonnen mit Mädchen vergnügt. Petras Wunsch mich zu küssen wird aus Bewunderung erwachsen sein, denn sie hatte eine Leseschwäche und ich den Lesewettbewerb in der Klasse gewonnen. Mir erging es nämlich mit der Beate Böhler, unserer Klassenbesten, ähnlich, nur dass ich nicht wagte, auch nicht über den Linde, die Böhler zum Stelldichein zu bitten.

Jüngst in einem Traum öffnete ich mit zitternden Händen in einem großen Gebäude ein kleines Fenster auf der Flucht vor einer Gestalt, die mich abknallen wollte. Ich entwich, lief weg und bemerkte vor dem Erwachen, dass ich mich wiederum innerhalb der vorgegebenen Grenzen meiner Kindheit befand, in Richtung auf den Schulhof unterwegs. Offenbar holte ich mir die Erinnerung an die Jahrzehnte alte Übertretung wieder. Heute danke ich dem Mädchen mit der Leseschwäche für ihren gezeigten Mut und für ihre in der Anbahnung entblößte Scheu und Angst, denn Mut und Angst sind Zwillinge, unzertrennlich und im Gleichmaß wachsend. Alles Wesentliche, das geschieht, geschieht durch Überwindung.

A.R.