In der Uhr

I.

Es ist zu lang her –
Ich habe keinen Zugang mehr
Zu der Zeit,
Als wir zwei
Uns angeblickt,
Als gelte es für Ewigkeit.

II.
Dabei war
Das Ende doch so klar
Von jenseits uns’res Irrgärtleins
Aus betrachtet –
Bloß von mittendrin
Den Weg heraus zu finden
War, was gar nicht ging.
Was konnte da verkehrt sein?

III.
In wiederkehrendem
Verlangen
In wiederkehrendem
Verlangen
Waren wir
Auf schönste Art gefangen.
Waren wir.

IV.
Für Dich aber blieb
Die Frucht von dieser Lieb‘
Verboten.
Blieb verboten
Wegen einer nicht durchtrennten
Nabelschnur.
Deren Tiefe, Breite, deren Länge
Auszuloten
Brachte mich auf weite Flur.
Dich trieb’s in die Enge.

V.
Nun ist das, was beinah
Alle Zeiten überdauert,
Alle Zeit vertrieben hätte,
Wieder in der Uhr.

A.R.

5.1.17

Schweigeminute oder die Zärtlichkeit einer Strafarbeit

I
Beim Sport
Ich hab mich aufgeblasen:
Rannte vom Spielfeldrand.
Mitten auf den Rasen.

II
In Musik
Ich war taktlos.

III
Deutschstunde
Ich nahm mich mal wieder zu wichtig.
Als Fußnote durchkreuzte ich den Text.
Was für ein Geschmier!
In ihrem Buch des Lebens
Macht‘ ich mich zum Tiutenklecks.

IV
English
Sorry, but
I can’t say it in english.
I’m a german poet.
It’s my fault.
I know it.

V
Theater-AG
Sie ist völlig von der Rolle.
Ich, ihr heimlicher Souffleur
Hab ihr Stück vermasselt.
Betrat die Bühne
Hab hinein gequasselt.

VI
„Ab !“

A.R.

07.11.16

Ich könnte dich noch ein Stück begleiten…

I.
In deine bürgerliche Welt
Gehör ich nicht hinein.
Da wahrt man contenance.
Bewahrt den schönen Schein.
Brechen Urgewalten
– Triebe, Diebe, Liebe –
Über sie herein,
Gibt man dennoch sich verhalten.
Denn was ist,
Darf lange noch nicht sein.

II
Man ist verschwiegen.
Die Balken können sich noch so biegen.
Man bleibt verschwiegen.
Hinter vorgehalt’ner Hand
Sind gewisse Dinge wohl bekannt.
Drohenden Konflikt
Umgeht man fein geschickt.

III.
Es geht um die Fassade.
Was drinnen ist geht niemand an.
Nicht einmal dich selbst.
Wer so nicht sein kann,
So nicht ist:
Ist ein
EGOIST.

IV.
In deine bürgerliche Welt
Gebar man dich hinein.
ICH, ich lockte DICH heraus –
Findest Du allein
Zurück nach Haus?

A.R.

25.10.16

Höllenbrand (Eine Farce)

I
Liebe ist ein Höllenbrand.
Du warst entflammt.
Ich hab dich brennen sehen. –
Und hab dich rennen sehen,
Ob dein Haus noch steht.

II
Du eiltest in die Kinderstuben.
Hüben schliefen Eure Mädchen,
Drüben tief die Buben.
Dein Mann saß am Kamin
Und sprach:
„Ich habe Dir verzieh’n.“
Weißer Rauch stieg auf.

III
Du dachtest: Gott sei Dank.
Es wird doch bald wie immer.
Ich geh mal auf mein Zimmer.

IV
„Wart‘!“ gebot der rechte Arm
Von Petris Stuhl.
„Willst du frei sein von den Sünden,
Müssen wir Dir Ablass finden.
Ariel muss nun
Sein Werk an And’ren tun.
Sprich, wer stieß dich in den Pfuhl?
Nenn mir Täter, sag die Namen.
So läßt sich Fegefeuer
Einiges ersparen“.
Schwarzer Rauch stieg auf.

V
Die nächste quälende Szene
Übergeht die Scham. –
Das Geständnis
Schlußendlich
Kam.

VI
Der Heilig‘ Vater,
Nunmehr zornentflammt,
Weckte Frida,
Jüngster Spross.
„Wach auf, geschwind.
Mein treues Kind.
Ich gebe Dir
Ein hohes Amt.
Diese zwei
Hol flink herbei.
Es gibt noch Leckerei
Vom Grill.“
Frida eilt.

VII
„O teurer Mann,
Du Vater meiner Kinder.
Was führst du im Sinn
Mit meines Busens
Bester Freundin?
Und was, mein Bester,
Tust du meiner Schwester?“

VIII
„Tja teure Frau,
Du kennst genau
Mein hohes Amt.
Sie sind verdammt!
Deine Schwester,
Bot sie Dir
Denn nicht Quartier
Für böse Liebesspiele?
Aber deiner Freundin Sünden
Sind unendlich viele!
Ihr Heil ist schon dahin.
Sie sprach dich frei von Schuld.
Das obliegt nur uns’rer Huld.
Sie ist eine Ketzerin!
So geh du nun laufen
Gutes Holz zu kaufen
Für den Scheiterhaufen!“

A.R.

19.10.2016

Advent

Hier sind Hoffnungen
Hungers gestorben.
Haben Teufelchen gehaust.
Sind Ernten, Erinnerungen
Verdorben,
Große Gefühle
Verlaust.
Jetzt aber:
Durch Tränen, durch Wehen
Glaube ich
Das Königskind zu sehen.
Ich seh verschwommen
Sein Reich kommen.