Ich Ich ist so krank
Es fehlt selbst
Ein Symptom.
Mit lebendig Wasser
Führt es Gift im Strom.
Da komm Ich
Stolz daher
Auf dem Trottoir.
Denk in Dimensionen
Megastar.
Wie geh’n
Gleich noch Depressionen?
Ich sag mir: Schweig!
Geh nicht
Hirnquark nach
Tu das nicht.
Ich sag mir: Mensch!
Betrachte Dich
Bei Licht.
Bleib brav hier
Auf dem Bürgersteig.
Aber wieder
Treibt es mich.
Treibt mich
Völlig fort.
Ich geh absolut
Hinüber über
Bord.
Lebenslauf
Aus dem Blut
In die Verwirrung
– Lebenslänglich –
Zur Besinnung kommen.
Pur aus Angst
Gedächtnisstützen
Unbesonnen
In den Boden rammen.
Nie alle beisammen.
Kelch
Hoch vom Himmel Sterne hageln
Auf ein lichtempfindliches Gemüt.
Milde Luft in meine Jacke übertragen
Weht, so wird es sein, aus Richtung Süd.
Mein Gott, ich blüh, es blüht:
Aus dem Körper möchten sprudeln
Ausgelassen wie geköpfter Sekt,
Flaschengeister, die mich nicht besudeln
Mit Ernüchterung, Verzweiflung, Dreck,
Wenn hoch vom Himmel Sterne hageln
Auf ein lichtempfindliches Gemüt,
Milde Luft in meine Jacke übertragen
Weht – so wird es sein – aus Richtung Süd.
Faust am Werk
Schulaufführung – damit verbindet sich die Vorstellung von Dilettanten, die ihre Spielfreude, ihren Enthusiasmus in das Theaterstück einbringen. Eine wärmende Atmosphäre von Lampenfieber umgibt den Zuschauer. Seine Sympathie wecken Darbietungen mit Holprigkeiten in Text oder darstellerischem Ausdruck. Sein besonderes Interesse gilt einzelnen schauspielerischen Begabungen, die heraus stechen und Ausrufezeichen setzen.
Kunst in Perfektion erwartet bei einer Aufführung von Schülern niemand.
Bei zwei Inszenierungen von Goethes Faust in der Aula der Freien Waldorfschule wurden diese Erwartungen irritiert. Sicherlich gab es von Spielfreude, Lampenfieber und Begabung bei den 12t-Klässlern einiges zu sehen, überstrahlt wurde dies jedoch von einem erkennbaren Gestaltungswillen in Richtung auf die Verwirklichung eines künstlerischen Gesamtkonzeptes. Was an den Abenden des 30ten September und 1. Oktober im Rudolf-Steiner-Saal über die Bühne ging hätte auch im Grillo-Theater der Stadt Beachtung gefunden.
Das lag keineswegs an einer charismatisch gespielten Hauptrolle. Vielmehr war es gerade ein Kunstgriff der Regie führenden Kunstlehrerin ihr Stück von der Qualität der Schauspieler in hohem Maße losgelöst gelingen zu lassen. Zwar: Kaum ein Stück eignete sich wohl besser als der Faust dazu bei einem einzelnen Jüngling die Initiation zum Manne im mindesten vordergründig zu bewerkstelligen. Man weise ihm die Rolle des Faust oder auch des Mephisto zu – und er beherrscht das Hexeneinmaleins. Jedoch: Bei Katharina Lökenhoff wird der Faust in drei Rollen aufgeteilt, wobei die Spaltung in den Denker und den Liebhaber durchaus überzeugt. Auch Mephistos Figur und Erscheinung changiert – geht aus dem Pudel noch in weiblicher Gestalt hervor ehe sie das Gretchen als männlicher Galan mit Faust verkuppelt. Das unschuldige Gretchen wird selbstredend ebenso von einer Anderen verkörpert wie das gefallene.
Bezeichnend für die Handschrift der Regie war auch, daß am zweiten Abend der Aufführung der echte Pudel aus der Inszenierung verschwunden war. Er war nämlich auf unbeabsichtigte Weise zum Star der öffentlichen Premiere geworden. Sein Erscheinen als solches belustigte das Publikum, darauf war seine Wirkung aber augenscheinlich nicht berechnet worden. Also raus mit ihm.
Hinein genommen in das Drama haben die Kunstlehrerin und ihre Mitgestalter hingegen den Text übermalende, wirkungsmächtige Bilder, Choreographien, auch pulsierende Rhythmen, bewegende mitreißende Tänze. Hierin setzte sie ihre ganz eigenen Akzente und machte den Faust mit Hilfe der musikalisch und tänzerisch bestens ausgebildeten Schülerinnen und Schüler zu einem gekonnten Spektakel. Zeitungsschnipsel bilden das Bühnenbild und versinnbildlichen die Inflation der Worte. Lökenhoff läßt lieber Bilder sprechen.
Die Bewegungen der Tänzer und Tänzerinnen muten allerdings teils so sinnlich an, daß die Langeweile Fausts, sein Lebensüberdruss im Angesicht solcher Darbietungen etwas mehr als cool wirken. Das Verständnis des Publikums für diese sinnenfeindliche Haltung wird gerade noch getragen von einem Unbehagen, das sich einstellt: Bewegen sich die Tänzer noch aus einem eigenen Antrieb oder werden sie bewegt, versklavt von etwas Okkultem, einem stumpfen Trieb nach Gleichsinn, Gleichklang, Gleichgang?
Wenn Faust in einer starken Schlußszene das Gretchen aus ihrem Käfig, gezimmert aus einer verinnerlichten bürgerlichen Moral, an der Faust sie nur halb irre gemacht hatte und die sie nun halb unwürdig in ihren eigenen Augen erscheinen ließ, heraus durchs Licht führt, so geht es wohl darum einen unbeirrt der Anderen, einen selbstbestimmten Weg zu gehen, gleichwohl mit der Liebe verbunden.
Entgegen den Erwartungen des Publikums verzichteten die im Hintergrund wirkenden Akteure nach dem „Fall des Vorhanges“ zugunsten eines „Kinoabspannes“ auf ihren persönlichen Auftritt mit den üblichen Danksagungen. Das muß Bescheidenheit gewesen sein: „Hmmh. Hmmh !“
3.10.16 Axel Ressler
Die Liebste ging geläutert
I
Ich hab mein Liebstes scheint’s
Davon gejagt.
Wie sie war keine
Und wird nicht wieder eine
So hatt‘ ich ihrem Mann gesagt.
Auf einmal wirkte sie geläutert.
II
Wär sie doch gegangen
Mit dem Großen Unbekannten,
Eingestiegen in ein trunk’nes Boot.
Ich tät sie gerne suchen.
Nein sie sitzt daheim beim Abendbrot –
Und morgen kommen die Verwandten:
Sie backt Kuchen.
III
Kein Bettler und kein Prinz
Entriß sie mir.
Sie spielt auf der alten Leier.
Ich wähnte sie romantischer –
Derber, freier.
Täuscht mich wohl in ihr.
Auf einmal wirkt sie so geläutert.
IV
Ihr Mann sitzt zu Gericht.
Hält Hohen Rat.
Wer wußte was, wer wußte nicht!
Schaut lustig aus, wenn der einzige Gerechte
Die Gerechten um sich schart.
Die Liebste allerdings empört sich:
Daß ich dir Hörner aufgesetzt
Geschah doch ganz privat!
Ich hab mein Liebstes scheint’s
Davon gejagt.
A.R.
3.9.16
